…von der Essenz der Kraftorte und dem König der Welt…

Der simple Ausdruck Kraftort lässt Raum für eine Vielzahl von Interpretationen. Alles kann ein Ort der Kraft sein; von der simplen Waldlichtung hinterm Haus bis hin zu den Pyramiden in Mexiko. Um die Vielzahl der verschiedenen Kraftplätze in ein geordnetes Schema zu bringen ist es am besten, sie chronologisch zu ordnen. Am Beginn stehen hier die reinen Plätze, die dem Menschen als “besonders” erschienen. Dies konnte ein Wasserfall, ein besonders geformter Felsen oder eine Waldlichtung sein. Später wurden diese Plätze mit verzierten oder bemalten Pfählen, Steintumuli oder anderen künstlichen Artefakten versehen, um ihre Besonderheit zu kennzeichnen. Aus dieser Tradition entwickelten sich später größere Steinmonumente wie Steinkreise, Steinreihen, Kammern und ähnliches. Viele dieser Bauwerke wurden von den Priestern als astronomische Uhren oder Zeiger verwendet. Einzelne Steine wurden so platziert, dass sie an einem wichtigen Tag im Jahr genau in der Sonnen- oder Mondbahn lagen und so ihren Schatten auf ein bestimmtes Ziel warfen. Im Laufe der Zeit lernten die Menschen, ihr gesammeltes Wissen in diesen Gebilden auszudrücken. Sowohl berühmte Bauwerke wie Stonehenge, die Pyramiden in Mexiko und Ägypten oder die großen Kathedralen in Frankreich, als auch unbekannte oder vergessene Plätze beinhalten dasselbe mathematische und geometrische Wissen. Es ist das Wissen das wir heute als “Heilige Geometrie” bezeichnen. Zusammenfassend kann man sagen, dass Orte der Kraft die religiösen Bedürfnisse des Menschen reflektieren.

Doch was ist nun diese subtile und geheimnisvolle Essenz, die einen Kraftort so besonders macht? Aus yogischer Sicht äußert sich an diesen Orten das spirituelle Zentrum unseres Planeten in besonderem Maße. Jene geheimnisvolle subtile Welt, die im Buddhismus als Shambhala bezeichnet wird. Stelle Dir ein ausgedehntes Land vor, gesegnet von mildem Klima, majestätischen Gebirgszügen, geheimnisvollen Wäldern, fruchtbaren Feldern, kristallreinen Flüssen und wilden Wasserfällen. Ein Land mit perfekter Organisation, wunderbaren Tempeln und schönen Städten, in denen Menschen leben, welche die gleichen spirituellen Bestrebungen und eine inbrünstige Liebe zu Gott haben und einem König, der Staatsoberhaupt, Führer und spiritueller Meister zugleich ist. Dies ist Shambhala und gleichzeitig viel mehr als dies, es ist jenseits unserer unbändigsten Vorstellung. Man wird Shambhala erst dann verstehen, wenn man dieses wunderbare Land kennen lernt. Seit undenklichen Zeiten haben zahlreiche Menschen versucht und danach gestrebt, dieses erhabene Land, in dem die reine Spiritualität stets anwesend ist, zu erreichen. Selbstverständlich wussten die großen Eingeweihten dieses Planeten über die Existenz dieser Welt, die das Schicksal unseres Planeten inspiriert und direkt beeinflusst hat. Mehr noch, der Mythos eines Landes der Weisen, das über die Erde regiert, ist in der Tradition aller Völker wieder zu finden. Sicherlich hat dieses Land unterschiedliche Namen, wie Thule, das Land des Glücks, die Weiße Insel, die Welt der Weisen, das Land der weißen Flüsse, die Heilige Erde, Hyperborea, Shangri-La usw., die sich aber alle auf den gleichen Ort beziehen. In der fernöstlichen Tradition wird dieses Land Shambhala genannt, was auf Sanskrit „die Quelle der göttlichen Seligkeit“ bedeutet, oder genauer, „das, was einem den Zugang zur Quelle der Seligkeit“ ermöglicht. Aufgrund seiner Rolle wird Shambhala auch das „spirituelle Zentrum unseres Planeten“ genannt. Dieses „Zentrum“ befindet sich jedoch nicht auf der physischen, sondern subtil auf der ätherischen Ebene, parallel zu unserem physischen Universum. Der Name „Spirituelles Zentrum unseres Planeten” spiegelt die Tatsache wieder, dass die gesamte Weisheit und spirituelle Geschichte der Erde in den riesigen Archiven von Shambhala gespeichert ist. Darüber hinaus sind die Welt von Shambhala und die dort lebenden Menschen eine ununterbrochene und stetige Quelle der Inspiration für alle authentischen spirituellen Traditionen der Erde. Grundsätzlich kann man sagen, dass der Focus jeglicher authentischer spiritueller Aktion die Projektion von Shambhala in der physischen Welt darstellt. Das bedeutet nicht nur, dass die Verbindung der auf der Erde lebenden spirituellen Wesen mit Shambhala sehr stark ist, sondern auch, dass die Wesen aus Shambhala die spirituelle Entwicklung unseres Planeten stark unterstützen. Es wird gesagt, dass diese Projektion eine direkte, sogar verlängerte Manifestation von Shambhala in unserem physischen Universum ist.

Weiterhin erzählen Legenden von einigen geheimen Zugängen, wie z.B. Öffnungen in Felswänden, Höhlen, Gängen ins Erdinnere, etc, die den Übergang von unserer in eine andere Welt erlauben. Diese geheimnisvollen Zugänge kann man auch im Zusammenhang mit dem chronologischen Verlauf der Hoch-Zeiten der bekanntesten Kraftorte und -Regionen unserer Erde sehen. So befanden sich solche Zugänge zunächst in Hyperborea, Atlantis, Griechenland, Ägypten, Dakien, Südamerika, im Keltisch-Germanischen Kulturkreis, Indien und zuletzt in Tibet. In jeder geschichtlichen Epoche gibt es einen Ort, wo die heilige Tradition lebendig ist und aufblüht. Dieser Ort wird gewöhnlich durch eine große Konzentration von Weisen und spirituell ausgerichteten Menschen charakterisiert. Dank der erhabenen Bestrebungen, welche die menschlichen Wesen dieses Ortes haben, ist die telepathische Verbindung mit Shambhala ausgesprochen stark. Die dort lebenden Menschen werden direkt durch die Shambhala-Welt beseelt, wobei es sich hierbei sogar um wiedergeborene Wesen aus Shambhala handeln kann. Obwohl nahezu alle altertümlichen authentischen Traditionen heutzutage in Vergessenheit geraten sind, bleibt die spezielle und subtile spirituelle Prägung dieser (Kraft)Orte die gleiche. So wie man sich in einer Kirche oder wunderschönen Landschaft Gott näher fühlt, als beispielsweise in einer Bar oder einem Supermarkt, so erweckt die subtile Prägung dieser mystischen und privilegierten Stätten in jedem reinen und rezeptiven Menschen eine Art geheimnisvollen Schauer, eine besondere Faszination, hinter der sich häufig der unvermutete und erhebende Einfluss von Shambhala verbirgt. Hinter den touristischen Attraktionen der Sphinx in Ägypten, der Sonnenpyramide in Mexiko oder des Apollo-Tempels in Delphi können wir in einfacher und klarer Weise die faszinierende und geheimnisvolle Kraft Shambhalas wahrnehmen.

Wie bereits angedeutet, war Tibet über mehrere Jahrhunderte das Gebiet der Projektion Shambhalas auf der Erde, weshalb die Tibetischen Traditionen so viele Legenden über dieses mysteriöse Königreich der Weisen beinhalten. Diese schliessen sogar Geschichten von Leuten, die nach Shambhala gereist sind mit ein. Das ist der Hauptgrund dafür, dass die interessierten Menschen im Westen eher zu der Meinung tendieren, Shambhala befände sich auf der physischen Ebene, irgendwo versteckt in einer der vielen unerforschten Gegenden der Mongolei, Tibets oder des Himalaya Gebirges. Auch durch die eher materielle Ausrichtung ist es für den westlichen Menschen nahezu unmöglich, die Existenz von subtilen parallelen Welten wahrzunehmen. Aus diesem Grund wird die Existenz von Shambhala häufig entweder als rein physisch, oder rein symbolisch und abstrakt angesehen. Shambhala ist weniger eine vergangene Legende als vielmehr eine Realität der Gegenwart. Die mysteriösen tibetischen Eingeweihten sind nicht die einzigen, denen es gelang, Shambhala zu erreichen. Ein bekanntes Beispiel ist der russische Maler und Schriftsteller Nicholas Roerich, ein mystischer und faszinierender Charakter, der jahrelang u.a. in Tibet lebte, und dessen enge Freunde behaupten, er hätte Shambhala besucht. Ebenso zeugen seine inspirierten Gemälde und Veröffentlichungen von seinem tiefgründigen Wissen über Shambhala. Die primäre Aufgabe von Shambhala und der in Shambhala lebenden Wesen ist es, die Menschheit auf ihrem Weg der spirituellen Entwicklung durch die verschiedenen Erdzeitalter zu begleiten und zu führen. Den Gesetzen der zyklischen Evolution zufolge folgt nach dem Kali Yuga, dem „Dunklen Zeitalter“ Satya Yuga, das „Goldene Zeitalter“. In diesem Übergang von Unwissenheit zu spirituellem Licht erfolgt die “Re-Installation“ der wahren spirituellen und göttlichen Werte. Ein Prozess, der nicht leicht oder schnell sein kann, weil er das Verschwinden allen Übels auf der Erde erfordert. In diesem Zusammenhang erscheint die Analogie einleuchtend, Shambhala wie einen Schutzengel zu betrachten, der seine Schützlinge auf dem Weg der spirituellen Evolution stärkt und unterstützt.

Im Gespräch mit Nicholas Roerich äußerte ein tibetischer Lama: „Sogar Rigden-Jyepo (mit diesem Namen meinte er den König von Shambhala) erscheint hin und wieder an heiligen Stätten, in einigen Klöstern und in speziellen Momenten, in denen er Prophezeiungen verkündigt. Während der Nacht oder am frühen Morgen erscheint der Herrscher der Welt im Tempel. Wenn er den Tempel betritt erleuchten plötzlich alle Kerzen von selbst. Einige der Anwesenden erkennen in ihm den “Großen Fremden“ und verneigen sich vor ihm mit höchstem Respekt. Sie lauschen seiner Prophezeiung mit großer Aufmerksamkeit. Eine glorreiche Zeit wird kommen – Satya Yuga, das Goldene Zeitalter.“ Der Lama bemerkt weiterhin „Wer sich direkt an den großen König von Shambhala wendet, wird in seinen spirituellen Bemühungen Erfolg haben.“ Die essentielle spirituelle Botschaft von Shambhala besagt, dass das Erreichen der höchsten spirituellen Befreiung kein abstraktes und unerreichbares Konzept darstellt. Im Gegenteil, sie wird erreicht durch ernsthaftes Streben und persönliche Anstrengung im Hier und Jetzt, in dieser Welt und in diesem Leben. Diejenigen, die in dieser Welt unter der Inspiration und Führung von Shambhala tätig sind, leben weder zurückgezogen noch isoliert. Sie nehmen am gesellschaftlichen Leben teil und haben eines gemeinsam: Sie führen wohltuende spirituelle Aktionen durch – nicht nur für sich selbst, sondern für die gesamte Schöpfung. Ich wünsche jedem, der sich an (s)einem Kraftort befindet, den subtilen, spirituellen Einfluss von Shambhala zu verspüren und sich des unermesslichen Reichtums dieser erhabenen subtilen Welt bewusst zu werden. Der Zugang liegt am Kraftort Eurer Wahl – und in eurem Herzen.

Kalagiya, Kalagiya – komm nach Shambhala!

 

Quellen und Literaturhinweise:

www.alpenschamanismus.de

Shambhala. Das geheime Weltzentrum im Herzen Asiens.
von Nicholas Roerich, J. Kamphausen Verlag (1988)

Der König der Welt
von Rene Guenon, Gmelin (1987)

Mission de l’Inde en Europe
von Saint Yves d’Alveydre

Tiere, Menschen & Götter
von Ferdinand Ossendowski, Strange Verlag (2001)