von Morgan Arundel
Wir haben alle schon den Spruch gehört „Geduld ist eine Tugend“, aber was genau ist Geduld und warum glaubt man, dass es gut ist, sie zu haben.
„Das Wort Geduld stammt vom Lateinischen Wort „pati“ ab, das „leiden“ bedeutet, und es beschreibt die Fähigkeit, Verspätungen, Probleme oder Leiden zu dulden, ohne ärgerlich oder aufgebracht zu sein. Es wurde im frühen Christentum mit denjenigen assoziiert, die Verfolgung und Unglück ohne Klage oder Verlust des Glaubens ertrugen.“ (Oxford English Dictionary).
Geduld ist auf dem spirituellen Weg wertvoll, weil es uns unsere spirituellen Anstrengungen auch dann fortsetzen lässt, wenn wir nur wenig oder gar keinen Fortschritt sehen. Ohne Geduld würden wir unsere Praxis aufgeben, bevor sich die ersehnten Ergebnisse zeigen. Wenn wir die Ergebnisse nicht sehen, wenn wir sie erwarten, kann das dazu führen, dass wir unseren Enthusiasmus für unsere Praxis verlieren oder dass wir sogar in Frage stellen, dass sie die erwarteten Ergebnisse erbringen kann. Folglich gibt uns Geduld die Stärke, mit unseren spirituellen Bemühungen fortzufahren und die nötige Zeit, damit die wohltuenden Resultate in unserem Wesen erscheinen können.
Geduld ist auch diejenige Eigenschaft, die uns hilft, die Hindernisse auf unserem spirituellen Weg zu überwinden. In dieser Hinsicht ist Geduld eng mit Hoffnung verbunden, mit dem Glauben, dass wir alle Hindernisse, mit denen wir laufend konfrontiert werden, überwinden können und dass uns die Zukunft Erfolg bringt. Deshalb beinhaltet Geduld zuallererst Vertrauen in unsere eigenen Fähigkeiten und letztlich Vertrauen in den Willen Gottes, wissend, dass alles in diesem Universum nach dem Willen Gottes geschieht. Dies zu wissen und zu akzeptieren bewahrt uns vor Leiden und hilft uns, unseren individuellen Willen mit dem universellen Willen auszurichten.
Geduldig zu sein hängt eng damit zusammen, im gegenwärtigen Moment zu sein
Normalerweise sind wir ungeduldig, weil wir über die Zukunft nachdenken, etwas erwarten oder wollen, dass etwas genau so geschieht, wie wir es gerne hätten. Geduldig zu sein bedeutet tatsächlich, aufmerksam zu sein, was im gegenwärtigen Moment geschieht, ihn vollkommen zu leben und die Zeichen direkt vor uns zu erkennen.
In unserer modernen Gesellschaft wird Geduld oft als etwas Passives und Langweiliges angesehen. Ein möglicher Grund für diese Haltung ist die Wichtigkeit, die auf Ehrgeiz, Leistung und Produktivität gelegt wird. Wenn uns dabei Dinge in die Quere kommen, werden wir ungeduldig. Dennoch ist Geduld nicht langweilig und sicher nicht passiv, sie ist eine aktive Eigenschaft, die Stärke und ein tieferes Verständnis der Wirklichkeit zeigt.
Wie jede Tugend muss Geduld geübt werden, um verbessert zu werden. Immer wenn wir es schaffen, ruhig zu bleiben und uns nicht aufzuregen, wann immer wir warten oder etwas tolerieren müssen, das uns nicht gefällt, stärken und erweitern wir diese Eigenschaft der Geduld in unserem Wesen. Wenn wir dies im Gedächtnis behalten, können wir Geduld in vielen Lebenslagen üben, von einfachen Umständen wie zum Beispiel auf den verspäteten Bus oder an der Supermarktkasse zu warten, bis hin zu anspruchsvolleren Situationen wie zum Beispiel mit unseren Liebsten geduldig zu sein oder darauf zu warten, die Ergebnisse monate- oder jahrelanger spiritueller Praxis zu sehen. In jeder Situation haben wir die Gelegenheit, Geduld zu üben, bis wir den Punkt erreichen, an dem wir mit jeder Situation umgehen können, während wir vollkommen bewusst sind, dass wir genau das bekommen, was wir verdienen und dass von einer höheren Perspektive aus alles so geschieht, wie es sein soll.
Geduld muss in den richtigen Bereichen unseres Lebens angewandt werden
Wir sollten uns auch bewusst machen, dass Geduld in den richtigen Lebensbereichen angewandt werden muss. Beispielsweise sollte Geduld bei jeder Aktion angewandt werden, die in einer positiven Transformation unseres Wesens resultiert, aber sie kann auch bei unseren eigenen Schwächen angewandt werden. In diesem Fall kann Geduld zu einer Entschuldigung für unsere Passivität oder Untätigkeit werden.
Ein guter Weg, unsere Geduld zu vergrößern ist, sorgfältig darüber nachzudenken, was möglicherweise durch Ungeduld erreicht werden kann. Wir werden feststellen, dass Ungeduld selten, falls überhaupt, irgendetwas erreicht und dass sie normalerweise zu Unruhe, Frustration und letztendlich zu Wut führt –eine der zerstörerischsten Energien schlechthin, die sich durch uns manifestieren kann. Wenn wir dies wirklich erkennen können, werden wir sehen, dass ungeduldig sein eine törichte, schwache und zerstörerische Haltung ist. Folglich ist Geduld, aus diesem Blickwinkel, ein Zeichen von Verständnis, Weisheit und Stärke.
Eine gute Möglichkeit, die uns hilft, mit anderen Menschen geduldig zu sein, ist zu akzeptieren, dass sie Dinge nicht immer so machen, wie wir denken, dass sie gemacht werden sollten, und uns zu erinnern, dass wir irgendwann vielleicht auch Menschen brauchen, die geduldig mit uns sind, und dann in dieser Situation das zurückerhalten, was wir geben.
Wir können die Bedeutung der Geduld auch in den Weltreligionen finden
In der buddhistischen Tradition ist Geduld eine der „Vollendungen“, in denen sich ein Bodhisattva übt und die er praktiziert, um vollendete Erleuchtung (Bodhi) zu erlangen. Im Sanskrit als Kshanti bezeichnet, ist es die Praxis, Geduld gegenüber Verhaltensweisen oder Situationen, die es nicht unbedingt zu verdienen scheinen, zu üben – es wird als eine bewusste Wahl betrachtet, aktiv Geduld zu geben, als ob es ein Geschenk wäre, anstatt unter einem Druck zu stehen, durch den man sich zur Handlung verpflichtet fühlt.
In der christlichen Tradition ist Geduld eine der sieben Tugenden. Paulus in Galatien führt Geduld als eine der „Früchte des Geistes“ auf: „Liebe, Freude, Frieden, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung. Gegen diese Dinge gibt es kein Gesetz.“ (Galater 5:22)
In der islamischen Tradition ist Geduld die beste und wertvollste Tugend im Leben. Einige der Koranverse über Geduld ermahnen die Muslime „Gottes (Allahs) Hilfe mit geduldiger Beharrlichkeit und Beten zu suchen“ (2:45). Es ist vermerkt, dass „keinem solche Güte gewährt wird außer denen, die sich in Geduld und Selbstbeherrschung üben, keinem außer Personen des größten guten Glücks“. (41:35)
Im Judentum sind Geduld und Selbstdisziplin grundsätzliche moralische Werte. In der hebräischen Bibel wird in verschiedenen Sprichwörtern auf Geduld verwiesen, einschließlich desjenigen, das die Macht der Geduld aufzeigt „ein geduldiger Mann ist besser als ein Krieger, und derjenige, der sein Temperament beherrscht, ist besser als der, der eine Stadt erobert.“ (Sprichworte 16:32)
Im Hinduismus ist Geduld in der Bhagavad Gita erwähnt „..unter weiblichen Eigenschaften bin ich Ruhm, Schönheit, edle Rede, Erinnerung, Intelligenz, Standhaftigkeit und Geduld.“ (10:34)
Folglich ist Geduld eine Tugend, die uns alle Hindernisse überwinden lässt, denen wir auf unserem spirituellen Weg begegnen, die die Ergebnisse unserer spirituellen Bemühungen in Erscheinung treten lässt und die uns auf den universellen Willen vertrauen lässt. Wir können unsere Geduld durch Praxis vergrößern, und vielleicht sogar durch ein kleines Gebet: „Gott, schenke mir Geduld … aber beeil dich!“