Tara

Tara

Die Große Kosmische Kraft des Göttlichen Mitgefühls

Die Große Kosmische Kraft Tara wird auch „die rettende unendliche Kosmische Kraft” genannt. Eine ihrer göttlichen Aufgaben besteht darin, die Boddhisattva-s in ihren Tätigkeiten zu begleiten und zu unterstützen. Sie strahlt unter anderem vom Höchsten Absoluten das Göttliche Mitgefühl bzw. das unendliche Mitleid aus. In der buddhistischen Tradition ist Tara der „begleitende Stern“, der die hingebungsvollen Anhänger zum Zustand der spirituellen Vervollkommnung leitet.

Im hinduistischen tantrischen Pantheon ist Tara die zweite Große Kosmische Kraft. Zugleich stellt sie die wichtigste und verehrteste Göttin im tibetischen tantrischen Buddhismus (im Pfad Vajrayana) dar. Die häufigsten und komplexesten Hinweise bezüglich dieser Großen Kosmischen Kraft (Tara) findet man in der Tradition des tibetischen Buddhismus, wo sie auch noch unter dem Namen Tarini bekannt ist. In dieser Tradition werden die vielfältigen Formen der Göttin als noch so viele verschiedene Aspekte und Funktionen von Tara vorgestellt, wobei sie eigene Elemente dieses sehr erhabenen Ausdrucks des göttlichen Bewusstseins in der Manifestation darstellen. Zusätzlich steht die Anrufung und Anbetung (Puja) von Tara eng (im Rahmen der tibetischen Tradition) mit dem komplexen Pantheon der fünf „Familien” schöpferischer göttlicher Energie in Verbindung und somit den fünf Dhyani Buddha-s.

Etymologisch bedeutet das Wort „Tara“ „die Rettende“ oder „die Befreiende“ und stammt von der Sanskritwurzel „tri“, was „etwas überqueren“ bedeutet, wie z.B. einen Fluss, ein Meer, einen Berg oder irgendeine schwierige Situation. Somit kann man von einem äußeren Ansichtspunkt sagen, dass die Große Kosmische Kraft Tara stets angerufen wird, wenn man sich mit gefährlichen Situationen auseinandersetzt, die manchmal grenzwertig sind, oder wenn man sich für eine Möglichkeit von vielen entscheiden muss (z.B. wenn man sich an einem Kreuzweg befindet und sich nicht sicher ist, welche Richtung man einschlagen soll usw.). Andererseits stellt Tara aus esoterischer Sicht (mit anderen Worten aus okkulter, einweihender Sicht) die rettende Erkenntnis dar. Somit besteht die tiefgründige Bedeutung dieser Großen Kosmischen Kraft in ihrem Aspekt als Rettende darin, dass sie den verdienstvollen Schülern die grenzenlose göttliche Weisheit schenkt, die diese aus den Ketten des Leidens im Samsara befreit (d.h. aus der Kette der aufeinanderfolgenden Wiedergeburten in der Manifestation).

Eine andere Bedeutung des Wortes „Tara“ ist „Stern“. Symbolisch betrachtet, ist diese Große Kosmische Kraft wie ein begleitender Stern unseres leidenschaftlichen Strebens nach Gott. Folglich ist sie sowohl unsere Inspirierende als auch unsere Leitende auf dem Pfad der spirituellen Vervollkommnung.

Aspekte und Attribute der Großen Kosmischen Kraft Tara

In den buddhistischen Texten ist die erste und wichtigste Göttin aus der Gruppe der Göttinnen, die von Akshobya ausgestrahlt werden, Mahachinna Tara, die auch noch als Ugra Tara bekannt ist (d.h. Tara in ihrem schrecklichen Aspekt, so wie sie in der hinduistischen tantrischen Tradition dargestellt wird).

Eine andere Form von Tara ist Ekajata Tara, von der es heißt, dass sie in Indien von dem großen Weisen und befreiten Wesen Nagarjuna offenbart wurde, nachdem dieser ihre Anbetungsform aus Tibet übernommen hatte. Bezüglich dieses Aspekts gibt es heutzutage dennoch einige Fragezeichen, da Nagarjuna im 1.-2. Jahrhundert n.Chr. gelebt hat und der tibetische tantrische Buddhismus erst im 7. Jahrhundert n.Chr. begonnen hat, sich zu offenbaren.

Die dritte Hauptform von Tara wird als Nila Saraswati Tara erwähnt, die in Verbindung mit der Aneignung von neuen Kenntnissen und der außerordentlichen Wachrufungskraft des Wortes steht.

Es sei jedoch die Tatsache erwähnt, dass obwohl im Pantheon des tibetischen tantrischen Buddhismus verschiedene Aspekte von Tara erwähnt werden, sie nicht als eine der zehn Großen Kosmischen Kräfte wie in der hinduistischen tantrischen Tradition angesehen wird.

Da eine ihrer kosmischen Aufgaben darin besteht, die Menschen zu retten bzw. sie von den verschiedenen Kümmernissen und Notlagen des Lebens zu befreien (wenn sie dies inbrünstig und ehrlich verlangen), ähnelt Tara in einem bestimmten Maß der Göttin Durga (die ein Aspekt der Manifestation der Großen Kosmischen Kraft Kali ist). Aus diesem Grund wird sie auch noch Durga-Tara genannt. Während Durga die Kraft darstellt, die jedes Hindernis, Problem oder negative, aggressive Energie beseitigt und vernichtet, ist Tara die Kraft, die einen fast sofort diese Aspekte sublimieren lässt und man sie somit erfolgreich überwindet. Mit anderen Worten ist Tara die Kraft, die einen alle niedrigen und elenden Aspekte des Lebens transzendieren lässt. Aus dieser Perspektive rettet einen diese Große Kosmische Kraft nicht nur vor den offensichtlichen Gefahren, sondern bietet einem zugleich die Möglichkeit, schnell immer höhere Ebenen der spirituellen Erkenntnis zu erreichen.

Da das letzte und am schwierigsten zu überwindende Hindernis unser Verstand selbst ist, hilft uns Tara leicht jenseits der Gedanken und der ungestümen Wellen der Ideen zu gelangen, die jeden Augenblick im Verstand entstehen. Diese rein spirituelle Aktion dieser Großen Kosmischen Kraft ist leicht zu verstehen, wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass der Verstand (zusammen mit allen Funktionen und subtilen Energien, die er äußert) nichts anderes ist, als ein Teil oder Fragment des Höchsten Göttlichen Logos. Tatsächlich ist Tara die gigantische und äußerst subtile Energie des nicht-manifestierten Lautes, der die Manifestation transzendiert.

Andererseits stellt die Schöpfung oder die Manifestation selbst nichts anderes als eine Modulierung auf einer unendlich großen Anzahl von Schwingungsfrequenzen der endlosen Energie des Ursprünglichen Logos (oder Wortes) Gottes dar. Somit kann aus dieser Perspektive der Göttliche Logos, Tara, als ein echter Erschaffer und zugleich Zerstörer der gesamten Schöpfung betrachtet werden. In diesem Aspekt enthält Tara in sich selbst alle Mantras, die es gibt. Beispielsweise, um den richtigen, zutiefst spirituellen Sinn eines Mantras zu verwenden und aufzunehmen, das einen sehr erhabenen makrokosmischen Aspekt zusammenfasst, und um fähig zu sein, sich umfassend mit der subtilen und glückseligen Energie des betreffenden Mantras zu identifizieren, ist die Gnade dieser Großen Kosmischen Kraft Tara unentbehrlich, und sie sollte mit großer Hingabe und Bestrebung angerufen werden. Ebenfalls durch die Gnade dieser Großen Kosmischen Kraft Tara erhält man die erhabene poetische Inspiration und die Redegewandtheit. Die tantrische Tradition behauptet, dass derjenige, der ihr gänzlich hingegeben ist, niemals mehr in Debatten und Wortgefechten beliebiger Natur (vor allem im spirituellen Bereich) besiegt werden kann, wobei sein literarisches Talent verblüffend sein wird.

Ein anderer wichtiger Aspekt der Großen Kosmischen Kraft Tara auf der Ebene des Mikrokosmos des menschlichen Wesens ist derjenige, dass sie die reinigende Kraft der subtilen Prana-Flüsse darstellt, die jedes Lebewesen beleben.

Folglich hilft Tara einem mittels der Energie der Erkenntnis (Jnana Shakti) die „dunklen Gewässer” des Samsara zu überqueren, denn jede Erkenntnis ist nichts anderes als ein fortwährendes Streben nach der Ewigkeit und der Unendlichkeit der Höchsten Realität. In der hinduistischen tantrischen Tradition ist die Große Kosmische Kraft Tara der sehr subtile Laut selbst, der die Wahrheit wahrnimmt und zugleich offenbart, denn der Laut ist mit der Wahrnehmung und der Energie der Erkenntnis verbunden. Aus diesem Grund wird Tara in einigen Werken der hinduistischen Weisheit als die Große Kosmische Kraft des Höchsten Bewusstseins Gottes angebetet.

Somit begünstigt Tara in ihrem unendlichen Mitgefühl für die begrenzten menschlichen Wesen der Schöpfung die Wahrnehmung und Ansammlung des göttlichen Nektars (Soma) im eigenen Körper und ist somit eher mit den esoterischen, geheimen und dem profanen Wissen verborgenen Aspekten in Resonanz.

In der tibetischen Tradition ist ein Buddha größer als ein Gott oder eine Göttin. Er ist ein Wesen, das endgültig den Zyklus des Lebens und des Todes transzendiert hat. Als Erleuchteter hat ein Buddha Weisheit, Mitgefühl und außergewöhnliche Fähigkeiten erlangt. Die Buddhas gliedern alle Aspekte und Möglichkeiten des Daseins ein. Sie sind eins mit allem, was es gibt. Sie können Lichtkörper und Glanz manifestieren und verschiedene Formen annehmen, um den Wesen dieser Welt zu helfen. Da Tara jenseits all dieser Bedingungen ist, wird sich auch noch „Mutter aller Buddhas” genannt.

Traditionelle symbolische Darstellung der Großen Kosmischen Kraft Tara