Die geheime Methode des inneren Hörens der Hesychasten gemäß der Lehre des Vater Seraphim

Auszug aus dem Vorwort von Gregorian Bivolaru

Wir hoffen, dieses rührende Bekenntnis hilft euch, eher den Irrtum der Erscheinungen, die sich selbst unfairerweise „Hesychasmus“ nennen, in Theorie und Praxis vom wahren Hesychasmus zu unterscheiden. Diejenigen, die in der Tat näher und schneller durch christliche esoterische Praktiken zu Gott gelangen wollen, können diese Aufzeichnungen ergiebig nutzen, um schrittweise und begleitend sowohl Yoga als auch das Christentum auszuüben, so wie die authentische Methode hier beschrieben ist.

Letztendlich ist der Zustand, Gott zu erreichen, wahrhaft überaus wichtig, sowohl im Yoga als auch in der spirituellen Wissenschaft oder in der christlichen Religion; aus diesem Grund müssen wir die Tatsache in Erwägung ziehen, dass, wenn mehrere Wege zum gleichen Ziel (Gott) führen, uns die fruchtbare und weise Nutzung zweier Wege (Yoga und Hesychasmus), die gleichzeitig praktiziert werden (indem wir ersteren benutzen um zweiten schneller zu verbessern), nur helfen kann, Gott schneller zu erreichen. Wir können uns immer sicher sein, dass Gott uns nie böse ist, wenn wir den Zustand Seiner Offenbarung in uns erreichen, indem wir uns ihm gleichzeitig und hingebungsvoll auf zwei authentischen spirituellen Pfaden nähern.

Übersetzt von Yoga Lehrer Gregorian Bivolaru, nach Jean-Yves Leloup, „Bemerkungen zum Hesychasmus“

Einleitung

Als einst ein junger Philosoph den Berg Athos erreichte, hatte er bereits verschiedene Abhandlungen über orthodoxe Spiritualität gelesen und kannte sehr wohl „Die kleine Philokalie des Herzensgebets“ und „Aufrichtige Erzählungen eines russischen Pilgers“. Durchaus war er durch all diese verlockt, aber nicht überzeugt. Während eines Aufenthalts in Griechenland assistierte er eine tief emotionale Messe, die ihn spontan dazu inspiriert hat, ein paar Tage auf dem Berg Athos zu verbringen, um neue Details über das Herzensgebet des und die Methode des inneren Hörens der Hesychasten in Erfahrung zu bringen. Hesychasten sind vollkommen still und isoliert von der Welt, auf der Suche nach „Hesychia“ oder tiefen inneren Frieden, der Gott offenbart.

Um das Folgende besser zu verstehen, werden wir euch mit allen nötigen Einzelheiten darüber berichten, wie dieser junge Philosoph auf Vater Seraphim getroffen ist, der allein in einer Einsiedelei in der Nähe von St. Pantelimon auf dem Berg Athos lebte. Wir müssen hinzufügen, dass unser junger Philosoph zu diesem Zeitpunkt ein bisschen enttäuscht war, da er die Mönche auf dem Berg Athos nicht auf der „Höhe“ vorgefunden hat, die er erwartet hatte. Es ist wichtig hinzuzufügen, dass er nie wirklich gebetet oder eine bestimmte Form der Meditation durchgeführt hatte, auch wenn er genügend Bücher über christliche Meditation und Gebete gelesen hat. Deshalb war sein größter Wunsch, als er zum Berg Athos gereist ist, nicht noch einen Vortrag über Gebet und Meditation zu hören, sondern eine wirkliche und lebhafte Einweihung zu bekommen die es ihm ermöglichen würde, von „innen“, durch persönliche und direkte Erfahrung, besser zu verstehen.

Vater Seraphim, der ein hesychastischer Einsiedler war, hatte einen bizarren Ruf unter seinen Mitmönchen. Einige warfen ihm des öfteren vor, dass er spontan levitierte, andere behaupteten, dass er die Angewohnheit hatte, zu schreien, andere wiederum sahen in ihm einen ungebildeten Bauern, der hysterische Anfälle hatte; dennoch verehrten ihn viele Menschen als wahren Abt, der durch Gottes Heiligen Geist inspiriert war und der den weisesten Rat geben konnte. Des Weiteren konnte Vater Seraphim die Seelen der Menschen, die zu ihm kamen, wie ein offenes Buch lesen.

Viele derer, die an die Tür seiner Einsiedelei klopften, wurden unangenehm dadurch überrascht, dass sie sich in einer zuhöchst ungebührlichen Weise durch Vater Seraphim bis zum Grund ihrer Seelen begutachten lassen mussten; er untersuchte sie von Kopf bis Fuß mit einer unheimlichen, bohrenden Aufmerksamkeit, ohne ein Wort zu sagen, fünf Minuten lang. Diejenigen, die dieser Untersuchung ruhig standhielten, ohne davonzurennen, konnten am Schluss die strenge Diagnose des spirituellen Röntgen vernehmen: „Wie ich bemerkt habe, befindet Er sich in dir unterhalb deiner Kinnhöhe“, „Er ist noch nicht einmal in dich eingedrungen“, „Oh, welch ein Wunder, es ist erstaunlich, … ich kann sehen Er ist in dir bis zu deinen Knien hinab gestiegen!“

In all diesen Situationen sprach Vater Seraphim offenbar von Gottes Heiligem Geist und dem mehr oder weniger tiefgründige Ebene, an dem Er (Gottes Heiliger Geist) den Bereich des Kopfes berührt, jedoch nicht den des Herzens oder des Bauches. Sein wichtigstes Kriterium zur Beurteilung der Menschen war immer die Stufe der Inkarnation (die vollständige Verbreitung über bestimmte Teile des physischen Körpers und des Wesens) des Heiligen Geistes im Menschen vor ihm. Der perfekte Mensch (anders ausgedrückt: völlig vom Heiligen Geist verklärt) war für ihn nur derjenige, dessen ganzer Körper von Kopf bis Fuß völlig von der göttlichen Präsenz des Heiligen Geistes durchdrungen war. „Ich habe dieses Wunder nur bei einem einzigen Menschen gesehen, bei Abt Siluan“, sagte er, „Er ist tatsächlich vollständig ein Mann Gottes, voller Größe und voller Demut zur gleichen Zeit.“

Der junge Philosoph war keineswegs in dieser hohen Position und in seinem Fall befand sich Gottes Heiliger Geist bis „unter seinem Kinn“. Als er Vater Seraphim bat, ihm das Geheimnis des Herzensgebets und des inneren Hörens der Hesychasten zu lehren, fing dieser beinahe an zu schreien. Er war durch diese Situation weder eingeschüchtert noch entmutigt. Später, als er demütig darauf beharrte, sagte Vater Seraphim zu ihm: „Bevor ich dir etwas über das Geheimnis des Herzensgebets erzähle, musst du lernen wie ein Berg zu meditieren“ und danach zeigte er ihm in der Nähe einen hohen Berggipfel. „Beginne heute, ihn zu fragen, wie er betet. Wenn du weißt, wie er es macht, komm zu mir zurück.“

So tief meditieren wie ein Berg

Und so begann für den jungen Philosophen eine authentische Einweihung in das innere Hören des Hesychasmus. Ganz offensichtlich war dies für ihn der erste Hinweis bezogen auf eine größere Stabilität. Der Rat war nicht spirituell, sondern physisch: wie man stabiler sitzt.

In einer stabilen und festen Position wie ein Berg zu sitzen, bedeutet unter anderem „Gewicht zuzulegen“, oder anders ausgedrückt, vollkommenes und tiefes Entspannen, um das Gefühl zu bekommen, dass du in den Boden „sinkst“. Während der ersten Tage fand es der junge Philosoph schwer, so lange zu sitzen, ohne sich zu bewegen, wie ein Fels, mit gekreuzten Beinen und dem Becken ein bisschen höher als die Knie (er hatte entdeckt, dass dies die Position war, die ihm die meiste Stabilität verleiht).

Eines Morgens, als er mit glühendem Eifer übte, verstand er spontan was „meditieren wie ein Berg“ bedeutete. Plötzlich fühlte er sein ganzes Gewicht; er war vollkommen bewegungslos, als ob er äußerst tief und stark im Boden verwurzelt wäre. Zeit erhielt eine völlig neue Bedeutung zum ersten Mal nahm er voller Ekstase intuitiv wahr, dass Berge in Wirklichkeit eine andere Zeit und einen eigenen Rhythmus haben. Vollkommen bewegungslos zu sitzen bedeutet in Wirklichkeit, tatsächlich immer die Ewigkeit vor dir zu haben.

Dies ist die angemessenste Lösung für denjenigen, der wirklich danach strebt, sich in Meditation zu begeben: zuallererst muss er wissen, dass er immer die Ewigkeit vor sich, hinter sich und in sich hat. Bevor man eine Kirche errichtet, braucht man immer einen Stein, und auf diesen Stein (in anderen Worten: der unerschütterlichen Stabilität des Steines) kann Gott Seine Kirche bauen und aus dem menschlichen Körper Seinen Tempel machen. Dies ist wie Vater Seraphim die geheime Bedeutung der Worte des Evangeliums verstand: „Du bist ein Fels und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen“.

Die paar Wochen, die der junge Mann auf diese Weise verbrachte, veränderten ihn sehr. Am schwierigsten schien es, die Stunden verrinnen zu lassen mit „absolut nichts tun“. Er musste wieder lernen, nur zu sein, klar und einfach, ohne jeglichen Grund. Wie ein Berg zu meditieren heißt auch, tief über die endgültige Existenz zu meditieren, die Existenz selbst, diejenige, die vor dem Denken existiert, vor Schmerz oder Freude. Der Berg lehrt dich, dass sie wirklich existiert … das ist in Wirklichkeit seine Meditation.

Voller Liebe besuchte Vater Seraphim den jungen Philosophen täglich und teilte mit ihm ein paar Oliven und Tomaten. Trotz der außerordentlich strengen Diät fühlte sich der junge Mann von Tag zu Tag schwerer. Er wurde ruhiger.

Der Berg vor ihm schien seine Venen durchdrungen zu haben. Er nahm Zeit anders wahr – mit Worten nicht zu beschreiben; er nahm intuitiv lang vergangene Jahreszeiten wahr, die sich für einen Moment vor ihm auftaten, aber er blieb ruhig und still wie grobe und harte Erde oder wie reicher Boden, der darauf wartet, eines Tages kultiviert zu werden.

Während er wie ein Berg meditierte, änderte sich der Rhythmus seiner Gedanken auf wundersame Weise. Er lernte nun „zu sehen“ ohne zu beurteilen und er konnte sogar betrachten, wie der Berg all denen, die ihn besuchen, gleichermaßen das „Recht zu existieren“ gibt.

Zu seiner Verwunderung hielten ihn eines Tages ein paar Pilger für einen Mönch und baten – tief beeindruckt von seinem inneren Frieden – um seinen Segen. Er antwortete nicht und blieb unerschütterlich wie ein Fels. Als Vater Seraphim dies hörte, kam er schnell und begann auf seinen ganzen Körper einzuschlagen. Der junge Philosoph blieb still, während die Schläge auf ihn niederprasselten und begann nur einmal aufzustöhnen.

„Bitte schön! Ich dachte schon du wärst so dumm wie ein Stein auf der Straße geworden. Hesychaste Meditation basiert auf Stabilität, nicht Unbewegtheit; sie soll dich nicht in einen trockenen Klotz verwandeln, sondern in ein Wesen, dass voll tiefer Empfindsamkeit und wahrlich lebendig ist.“ Er nahm den jungen Mann am Arm und führte ihn in den Garten, wo man zwischen den Kräutern einige Blumen sehen konnte.

„Von nun an musst du nicht wie ein unfruchtbarer Berg meditieren. Beginne heute damit, zu lernen wie roter Mohn zu meditieren, aber behalte alles im Gedächtnis, was dich der Berg gelehrt hat.“

Meditieren wie eine rote Mohnblume

Somit begann der junge Mann von diesem Tag an zu lernen, wie man blüht … Meditation bedeutet zunächst, eine stabile Stellung zu haben und dies ist, was der Berg ihn gelehrt hatte. Aber es bedeutet auch, eine „Orientierung“ zu haben und dies sollte er von der Mohnblume lernen: sich zyklisch auf die Sonne auszurichten, von der Finsternis hin zum Licht. Mehr noch musste er all den „Lebenssaft“ seines Wesens in Energie transformieren und dann, mit seiner Hilfe, danach streben.

Manchmal ließ ihn diese Orientierung zum Guten, Schönen, Lichten, Wahren erröten wie eine rote Mohnblume. Wie Gottes „wundervolles Licht“, so war es das Licht eines offenen Blicks, begleitet von einem Lächeln, der einen bestimmten Duft von ihm erwartete … er lernte auch, dass die Mohnblume immer ihren Stängel gerade hielt, damit sie sich besser ausrichten konnte, und so begann er seine Wirbelsäule gerade zu halten.

Am Anfang verstand er noch nicht sehr gut, wie die Dinge wirklich waren. Er las in anderen Lehrbüchern, dass der Rücken des Mönches ein wenig gebeugt sein muss, auch wenn man dadurch Schmerz riskiert – auf diese Art könne sein Blick leicht auf das Licht gerichtet werden. Daher bat er Vater Seraphim um eine Erklärung. Vater Seraphim betrachtete ihn böse: „Oh, dieser Rat war gut für diejenigen, die vor einer langen Zeit gelebt haben. Sie waren zu voll mit Energie und sie mussten an Demut und die Nichtigkeit ihres menschlichen Zustands erinnert werden. Daher konnte es ihnen nicht schaden, wenn sie sich während der Meditation ein wenig beugten … Was dich jedoch anbelangt, benötigst du eher Energie; deshalb frische dich während der Meditation auf, sei wachsam, mach deine Wirbelsäule so gerade wie möglich und erhebe deinen Blick zu Gottes Licht; du kannst dieses Licht auf der Spitze deines Kopfes sehen, aber denk immer daran, dies selbstlos zu tun. Wenn du die Mohnblume aufmerksam betrachtest, dann wirst du selbst die Vertikalität ihres Stängels bemerken und die Biegsamkeit, die ihr erlaubt, sich im Wind zu beugen; dies geschieht, weil sie so demütig ist … Du musst verstehen, dass die geheime Lehre der Mohnblume auch ihre Zerbrechlichkeit und ihre Vergänglichkeit ist. Der junge Mann, der du jetzt bist, muss lernen zu blühen, aber auch zu vergehen.“ Indem er über das meditierte, was Vater Seraphim gesagt hatte, verstand der junge Philosoph plötzlich des Propheten Wort „jeder Körper aus Fleisch ist Gras für Gott und er ist so delikat wie eine Blume; es kommt eine Zeit, wenn Gottes Wind über ihnen weht und das Gras vertrocknet und die Blumen vergehen; aber über allem ist Gottes Wort auf ewig beständig … für Gott sind alle Völker auf der Erde wie ein Tropfen Wasser im Eimer, wie Staub auf einer Waage … Er macht alle Richter auf dieser Welt auf ewig bedeutungslos. Kaum sind sie gesät, gepflanzt, mit dem Stängel in der Erde, so bläst Er (Gott) über sie und trocknet sie und dann trägt sie ein Wirbel wie Strohhalme davon.“ (Jesaja, 40-7, 8, 15, 23, 24).

Der Berg gab dem jungen Philosophen ein Gefühl der Ewigkeit, aber danach lehrte die Mohnblume ihn die Zerbrechlichkeit der vergänglichen Dinge, die der Zeit gehorchen. Zu meditieren bedeutet unter anderem, die Ewigkeit in vergänglichen Momenten jederzeit zu kennen. Es bedeutet auch, dass es notwendig ist, voll aufzublühen, wenn deine Zeit zu blühen gekommen ist, mit deinem ganzen Herzen zu lieben, wenn deine Zeit zu lieben gekommen ist, ohne irgendetwas dafür zurück zu verlangen; abgesehen von dem, was Gott uns jeden Moment gibt, was sonst könnten wir bekommen und von wem? Lasst uns über den Grund nachdenken, warum Mohnblumen blühen … und für wen …

Der junge Philosoph lernte so, tiefgründig zu meditieren ohne irgendeinen Grund oder Gewinn; er verstand auch, dass er aus der einfachen Freude der Existenz heraus meditieren musste, Gottes ewiges Licht liebend. „Liebe ist ihre eigene Belohnung“ sagte der Heilige Bernard. „Die Blume blüht, weil sie blüht“ sagte einst Angelus Silesius.

„Der Berg ist in Wirklichkeit derjenige, der wie eine Mohnblume blüht“ dachte der junge Philosoph. „Das gesamte Universum meditiert jetzt in mir. Möge es erröten vor Freude in diesem privilegierten Moment, der mein Leben ist“. Dieser Gedanke war ein wenig zu viel für ihn. Darum musste Vater Seraphim ihn nehmen und ihn ein wenig schütteln, er nahm ihn mit auf eine schroffe Straße und brachte ihn an die Meeresküste an einen kleinen isolierten Golf und sagte ihm: „Hör auf, die Frische einer Mohnblume zu kauen wie eine Kuh … erinnere dich, du musst nun das Herz des Meeres erlangen. Lerne zu meditieren wie der Ozean“.

Meditieren wie der Ozean

Der junge Mann näherte sich dem Meer. Rückblickend betrachtet bemerkte er, dass er eine stabilere Position und eine geradere Wirbelsäule hatte. Was fehlte ihm denn noch? Was könnte er von den Stürmen der Wellen lernen? Bald schon bemerkte er, dass der Wind stärker wurde. Das Heran- und Zurückfließen des Meeres wurde stärker und erweckte in ihm die Sehnsucht nach dem Ozean. Es konnte kein Zufall sein, dass der alte Mönch von ihm verlangte, wie ein Ozean zu meditieren, und nicht wie ein See. Woher wusste er von den langen Stunden, die er im Norden des Atlantischen Ozeans verbracht hatte, umgeben nur von der Nacht, als er lernte im Rhythmus der Wellen zu atmen! Einatmen, ausatmen … dann: Ich werde von Gott eingeatmet; Ich werde von Gott ausgeatmet. Ich lasse mich vollständig vom Atem davontragen, so als würde ich von den Wellen getragen …

Er begann erneut mit diesen Übungen. Seltsamerweise geschah alles in der Gegenwärtigkeit! Als er zuvor das gleiche durchgeführt hatte, vergaß er sich selbst, er löste sich wie ein Tropfen Wasser im Meer auf. Jetzt bemerkte er, dass der Tropfen, er, noch immer die Form behielt, das Selbst-Bewusstsein. Diese Transformation bemerkend wunderte er sich: „Könnte dieser verwurzelnde Effekt das Ergebnis der Haltung zusammen mit der geraden Wirbelsäule sein?“ Der junge Mann wurde nicht länger durch den Rhythmus seines Atems davongetragen wie zuvor. Er schaffte es, die Identität seines Bewusstseins unverändert beizubehalten. Er war ein Tropfen und offensichtlich „eins mit dem Meer“ zugleich. So lernte er, dass tiefe Meditation gleichzeitig eine tiefgründige und natürliche Atmung bedeutet, in anderen Worten: das Freilassen des Ein- und Ausströmens der Atmung.

Er lernte auch, dass der Grund des Ozeans immer still blieb, auch wenn es viele Wellen auf der Oberfläche gab. Kurz danach erkannte er, dass auch seine Gedanken kamen und gingen, aber tief in seinem Wesen blieb etwas Ewiges und Unbeschreibliches (das Unsterbliche Selbst) unbewegt. Mit jedem neuen Tag der tiefgründigen Meditation verlor der junge Mann vollständig die Identifizierung mit den „Wellen“ der Gedanken, indem er immer stärker Eins wurde mit dem stillen Grunde des Ozeans (dem Unsterblichen Selbst).

Freudig erinnerte er sich der Verse des Dichters, der seine Jugend beeinflusst hatte: „Das Leben ist wie ein See, der von Wellen aufgewühlt wird. Gewöhnliche Menschen sehen darin nur die Wellen. Beobachte sorgfältig, wie die Wellen ständig aus der Tiefe an die Oberfläche treten, während sie verborgen bleibt, hinter ihnen.“ Die See war für ihn nun nicht mehr verborgen; alle Wesen und die Identität der Dinge waren nun viel offensichtlicher, ohne dass die Vielfalt verschwand. Die Umgebung und die Form, der Inhalt und sein Aussehen, das Sichtbare und das Unsichtbare erschienen ihm nun nicht mehr als Gegensätze; alle begannen, im einzigartigen Ozean des Lebens zu verschmelzen.

Er fragte sich, ob die Grundlage der Atmung das Ruah oder Pneuma oder das Prana der Yogis war, oder einfach Gottes allmächtige Atmung?

Vater Seraphim sagte: „Derjenige, der sorgfältig und losgelöst der Atmung lauscht, ist nicht weit entfernt von Gott. Lausche sehr aufmerksam dem Ende deines Atemzuges. Lausche aufmerksam seinem Anfang“. Eifrig diesen Rat befolgend erkannte der junge Mann, dass es in diesen geheimen Momenten des Anfangs und des Endes ein tiefgründigeres Schweigen gab als das Heran- und Zurückfließen der Wellen, etwas das aussah wie der Ozean …

Meditieren wie ein Vogel

Vater Seraphim sagte eines Tages zum jungen Philosophen: „Die stabile Position, die konsequente Orientierung zum Licht Gottes und die tiefgründige Atmung, auf eine natürliche Art rhythmisch wie der Ozean, formen noch nicht die hesychastische Meditation. Du musst nun lernen, wie ein Vogel zu meditieren.“ Und indem er seine Hand nahm, führte er ihn zu einer kleinen Kammer, über der zwei Turteltauben ihr Nest gebaut hatten. Ihr fröhliches Gezwitscher erfreute ihn zuerst, aber bald nervte es ihn. Er dachte, sie beschlossen genau dann ihr Liebesgeflüster zu wispern, wenn er sich auf das Schlafen vorbereitete.

Der perplexe junge Mann fragte den Mönch nach der Bedeutung von all dem und wie lange diese Komödie noch andauern sollte. Der Berg, die Mohnblume und der Ozean waren noch in Ordnung (auch wenn jemand von außen sich über die Verbindung zwischen all diesen und dem Christentum wundern konnte), aber zu diesen schmachtenden Vögeln als Meditationslehrern zu kommen, das war zu viel!

Vater Seraphim erklärte dann geduldig, dass im „Alten Testament“ das Wort, das den Zustand der Meditation beschrieb, die Wurzel „Haga“ hatte, was ins Griechische übersetzt wurde als melete – meletan, was ins Lateinische übersetzte wurde als meditari – meditatio. Die ursprüngliche Wurzel dieses Ausdrucks bedeutet „in Stille flüstern“. Die gleiche Wurzel drückte oft auch den Ruf der Tiere aus, zum Beispiel das Brüllen des Löwen (Jesaja, 31,4), das Gezwitscher der Spatzen und das Gurren der Tauben (Jesaja, 38,14), genau so wie das Knurren des Bären.

„Wie Du sehen kannst, haben wir hier auf Mount Athos keine Bären. Aus diesem Grund brachte ich dich zu diesen Turteltauben. Aber ihre Lehre ist für dich ohnehin die gleiche. Du musst auch mit deinem Hals meditieren, indem du ihn nicht nur nutzt um zu atmen, …sondern auch um Tag und Nacht den Namen Gottes in Stille zu flüstern.

Wenn du glücklich bist, dann summst du ein Lied, sogar ohne es zu bemerken. Oder du murmelst einige bedeutungslose Worte und letztendlich bewirkt dieses Gemurmel, dass dein ganzes Wesen vor einfacher und ruhiger Freude vibriert.

Tiefgründige Meditation bedeutet, das Gurren der Turteltauben in dir widerhallen zu lassen, bedeutet, dass du das Lied, das in deinem Herzen erscheint, aufsteigen und dich überfluten lässt, so wie der Duft der Blume dich umgibt … Meditation bedeutet auch, zu atmen während man innerlich singt, ohne eine äußeres Geräusch zu erzeugen.

Ohne zu versuchen, die tiefgründige Bedeutung zu finden, schlage ich dir vor, dass du ständig folgende Worte, welche die Herzen der Mönche von Mount Athos mit Liebe zu Gott erfüllen, wiederholst, flüsterst, summst, um diese Worte tief und vollständig in dir vibrieren zu lassen: Kyrie Eleison, Kyrie Eleison.“ Der junge Mann war nicht besonders erfreut, da er die Bedeutung der griechischen Worte seit einer langen Zeit kannte: „Herr, habe Erbarmen.“

Da er seinen Zustand sehr gut intuitiv erfasst hatte, lächelte Vater Seraphim: „Ja, das ist auch eine der Bedeutungen dieses Ausdrucks, aber es gibt auch andere: „Oh mein Herr, ich flehe Dich an, Deinen Heiligen Geist über mich zu senden! Möge Dein göttlicher Segen über mich und über jeden kommen! Möge Dein Name in Ewigkeit gesegnet werden!“ und so weiter. Aber ich sagte dir bereits, dass nun nicht die richtige Zeit ist, auf Bedeutungen zu bestehen, da sie sich dir früher oder später, wenn die Zeit dafür richtig ist, offenbaren werden. Für den Augenblick ist es genug, empfänglich und sehr aufmerksam zu werden für die geheime und erhebende Schwingung, die diese Worte in deinem Herzen und deinem Körper erwecken. Dann harmonisiere diese Vibration mit dem Rhythmus deiner Atmung. Wenn dich zu viele Gedanken stören, nutze nur dieses Bittgebet, atme so tief wie du kannst, halte deine Wirbelsäule gerade und ruhig und du wirst den Weg zu Hesychia finden, dem inneren tiefgründigen Frieden, den Gott jenen schenkt, die Ihn lieben.“

Schon bald war der junge Mann vertraut mit diesem Ausdruck („Herr, habe Erbarmen“). Nach einer Weile war er sogar fähig, ihn aus seinem Herzen heraus zu sagen und nicht nur mit seinen Lippen.

Dann versuchte er nicht länger, die Bedeutung dieser Worte mental zu verstehen und ihre kontinuierliche Wiederholung brachte ihm einen tiefgründigen, ekstatischen Frieden, der ihm bislang vollständig unbekannt gewesen war. Er entdeckte schrittweise, was die innere Einstellung des Apostel Thomas gewesen sein musste, als er Jesus auferstanden sah. Es ist bekannt, dass er sagte: „Kyrie Eleison, mein Herr und Gott“.

Dieses einfache Bittgebet vertiefte ihn plötzlich in einen Zustand des intensiven Respekts gegenüber allem Existierenden, aber einen Zustand der überwältigenden Bewunderung für das, was an der Wurzel einer jeden Existenz verborgen war. Vater Seraphim sagte: „Nun ist es gut zu wissen, dass du nicht weit davon entfernt bist, wie ein Mensch zu meditieren. Daher will ich dich nun lehren, zu meditieren wie Abraham.“

Meditieren wie Abraham

Vater Seraphim’s Unterweisungen waren natürlich und therapeutisch. Wie bereits Filon von Alexandria sagte, waren die alten Mönche tatsächlich „Therapeuten“ („Heiler“). Bevor sie jemanden zur wahren Erleuchtung führten, war ihre Rolle zunächst einmal, die menschliche Natur schnell zu heilen und sie vollständig zu harmonisieren, so dass sie Gottes Erhebende Gnade empfangen konnte, die nicht der Natur entgegengesetzt war, sondern sie wiederherstellte und erfüllte.

Der Berg, die Mohnblume, der Ozean und der Vogel hatten den jungen Mann gelehrt, wieder bewusst zu werden, die unterschiedlichen Stufen des Lebens wiederzuerlangen, die das menschliche Wesen einst kannte, oder mit anderen Worten die unterschiedlichen Königreiche, die den Makrokosmos erschaffen haben: die Welt der Mineralien, der Pflanzen und der Tiere. Der Mensch hat – wie jeder, der sorgfältig um sich herum und in sich selbst blickt erkennen kann – den Kontakt (die Resonanz) mit allem verloren, was gut und göttlich im Makrokosmos ist: dem Fels, den Pflanzen, den Tieren und dieser schlechte Zustand erzeugt Beschwerden, Krankheiten, Unsicherheit, Verlust der Liebe, Unglück und Ängstlichkeit.

Er wurde aufgrund dieser großen Sünde zu einem Fremden in seinem Universum. Tiefgründige Meditation bedeutet zunächst, das Universum auf spontane und ehrliche Art und Weise zu lobpreisen, wie St. Parent sagte: „alle Dinge und Wesen haben vor uns gelernt zu beten“. Der Mensch, als ein von Gott privilegiertes Wesen, ist der einzige Ort in diesem Universum, in dem das Gebet real und vollständig seiner selbst bewusst wird.

Das ist der Grund, warum der Mensch hier ist, um den Dingen und Wesen bewusst einen Namen zu geben, den andere Kreaturen nur schnattern… Zusammen mit Abraham betreten wir eine vollkommen neue und viel höhere Ebene des Bewusstseins, die Glaube oder bedingungslose Einwilligung sowohl der Intelligenz als auch des Herzens gegenüber dem existierenden „Du“ genannt wird, der sich denjenigen geheimnisvoll abzeichnet, die fähig sind, Ihn intuitiv überall in der Vielfalt zu spüren.

Dies ist kurz gesagt Abrahams Erfahrung und Meditation. So verstehen wir, dass es immer etwas Größeres und Großartigeres hinter den Sternen gibt, eine geheimnisvolle und überwältigende Anwesenheit, die nur sehr schwer definiert werden kann, die niemand genau benennen kann, aber die in sich selbst alle Namen… alle Formen… alle Kräfte… alle Aspekte… alle Energie… enthält; und darüber hinaus etwas Geheimes und Unberührbares.

Im großen Mysterium (Gott) nehmen wir an, dass etwas jenseits des Universums existiert, das aber nicht außerhalb von ihm wahrgenommen werden kann. Der Unterschied zwischen Gott und der Natur ist der Unterschied zwischen dem Blau des Himmels und dem Blau eines Blickes. Abraham suchte nicht nach der Farbe, sondern nach dem Blick…

Nachdem er die aufrechte Haltung, die Verwurzelung, die positive Orientierung hin zum Licht Gottes, das stille Atmen des Ozeans und das geheime innere Lied gelernt hatte, wurde der junge Mann eingeladen, nun vollständig und wahrhaftig sein Herz zu erwecken. „Nun lerne, dass Du eines von Gottes Geschöpfen bist, begreife, dass dein Herz wahrlich durch die Tatsache charakterisiert ist, dass es alles personalisiert: alle Dinge, alle Wesen, sogar das Absolute, die Quelle (der letzte Ursprung) von allem was lebt und atmet. Begreife, dass alles Existierende Ihn ruft: „Mein Gott, mein Schöpfer“ und sie lassen sich selbst von Seiner Präsenz durchdringen. Zu meditieren wie Abraham bedeutet tatsächlich, immer den Kontakt mit der Einzigartigen Anwesenheit (Gott) jenseits der unterschiedlichsten Erscheinungen beizubehalten. Diese tiefgründige Form der Meditation bezieht alle konkreten Details des täglichen Lebens mit ein. Erinnere dich an die Episode mit der Eiche von Mamre.

Abraham saß zum heißesten Zeitpunkt des Tages am Eingang eines Zeltes. Er hatte gerade Besuch von drei Fremden erhalten; später würde sich herausstellen, dass sie Boten Gottes waren. Zu meditieren wie Abraham bedeutet, Gastfreundschaft voller Hingabe und Demut zu üben, indem man den Durstigen ein Glas Wasser anbietet. Dies wird dich nicht in deiner Ruhe stören; im Gegenteil, es wird dich näher an die Quelle (die unendliche Quelle) bringen. Begrenze Dich nicht selbst, indem du nur Gottes tiefgründigen Frieden und sein Licht in dir erwecken willst, sondern fülle dein Herz mit Liebe gegenüber allen Wesen der Erde.

Dies sagend las Vater Seraphim dem jungen Mann eine lange Passage aus der „Genesis“ vor, die Abrahams Einsatz vor Gott beschrieb. Vor Gott, Dem Einen, der ist, war und immer sein wird, sagte er: „Möchtest du wirklich die Sünder zusammen mit den Aufrichtigen unterdrücken? Wenn es nur 50 gerechte und gute Menschen in einer Stadt gibt, wirst Du sie auch zusammen mit der gesamten Stadt zerstören? Oder wirst Du der gesamten Stadt um dieser 50 Willen vergeben?“

Nach und nach musste Abraham die Anzahl der aufrichtigen Personen reduzieren, so dass Sodom nicht zerstört würde. „Oh, Gott, sei nicht verärgert. Vielleicht werden wir zumindest 10 aufrichtige Personen dort finden.“ („Genesis“, 18,16). Tiefgründig zu meditieren wie Abraham bedeutet, sich für das Leben der Menschen mit Liebe und Mitgefühl einzusetzen, ohne ihre Sünden zu ignorieren, beständig und voller Glauben das göttliche Mitgefühl wachrufend.

Diese Art der Meditation befreit das Herz in kurzer Zeit von Verurteilung und unterschiedlichen Verdammungen; sie wird immer Gottes Vergebung und Seinen Segen hervorrufen, egal wie viel Aufwand man für die Kontemplation betreibt.

„Meditieren wie Abraham bedeutet mehr als das“ – Vater Seraphim’s Stimme bebte vor Emotion. „Es bedeutet, das letzte Opfer zu erreichen; sogar die Selbstaufopferung“. Er las dem jungen Mann eine andere Passage aus der „Genesis“ vor, in der Abraham fähig war, seinen eigenen Sohn Isaac zu opfern. „Alles kommt von Gott und alles gehört nur Gott“ murmelte Seraphim. „Alles ist von Ihm und alles ist für Ihn. Abrahams Meditation wird dich zu einer vollkommenen Loslösung von deinem Ego führen und von allem, was ihm am wertvollsten ist. Suche ganz in der Nähe deiner Seele nach dem Objekt oder dem Aspekt, mit dem du dich am meisten identifizierst. Für Abraham war es sein Sohn Isaac. Wenn auch du fähig bist, dieses Gott zu geben, dich selbst total hinzugeben im vollen Glauben an den Einen, der den Verstand und den (scheinbar) gesunden Menschenverstand transzendiert, dann wird dir alles hundertfach zurückgegeben. Gott kümmert sich immer um Seine Kinder. Meditieren wie Abraham bedeutet auch, deine Zeit, dein Herz und dein Bewusstsein mit der Anwesenheit Gottes zu füllen. Erinnere dich, dass Abraham nur seinen Sohn im Herzen hatte, als er auf die Spitze des Berges kletterte. Als er wieder nach unten ging, war sein Herz allein mit Gott.

Die Lektion dieses Opfers zu lernen bedeutet zu erkennen, dass nichts jemals „dir“ gehört. Alles gehört nur Gott. Das bedeutet den Tod des Ego und die Offenbarung des Unsterblichen Selbst. Meditieren wie Abraham bedeutet, vollständig und voller Glauben mit dem Ewigen und Allmächtigen (Gott) zu verschmelzen, der das Universum (den Makrokosmos) transzendiert, es bedeutet, Gastfreundschaft mit Freude und Liebe zu praktizieren, sich (durch Beten) für jedermanns Erlösung einzusetzen, dich oft selbst zu vergessen und jede Anhänglichkeit zu brechen um zu entdecken, dass der Eine, der in der Tiefe deines Herzens lebt, sowie das gesamte Universum, „der Eine ist, der existiert, weil er wahrlich existiert“ (Gott).

Meditieren wie Jesus

Vater Seraphim kam immer seltener zu seinem jungen Schüler um ihm Rat zu geben. Telepathisch fühlte er seine Fortschritte in der Kunst der Meditation und des Betens. Einige Male sah er seinen Schüler sogar, als er tränenerfüllt wie Abraham meditierte und voller Ausdauer für die Menschen betete: „Herr, ich bitte Dich demütig um Deine Göttliche Gnade; andernfalls, ohne Deine Hilfe, was soll aus ihnen werden?“

Eines Tages kam der junge Mann speziell um mit Vater Seraphim zu sprechen. Er fragte ihn: „Vater, warum hast Du mir bislang noch nicht über Jesus erzählt? Was war Sein Gebet, Seine Form der Meditation? Ich weiß, dass sie über Ihn nur in allen Hohen Messen und in den kirchlichen Diensten sprechen. In den Herzensgebeten, wie die „kleine Lehre“ sie beschreibt, wird Sein Name oft angerufen. Warum erzählst Du mir nicht über Ihn?“

Vater Seraphim erschien sehr aufgewühlt, so als ob er ihn um die Offenbarung der intimsten Geheimnisse seines Herzens gebeten hätte. Je höher die erhaltene göttliche Offenbarung ist, mit umso größerer Demut muss sie weitergegeben werden. Vater Seraphim gab zu, dass er sich nicht demütig genug fühlte, um solch ein Geheimnis weiterzugeben: „Nur der Heilige Geist kann dir dies beibringen. Niemand außer dem Vater weiß wirklich, wer der Sohn ist, und niemand weiß wirklich, wer der Vater ist, außer dem Sohn und denjenigen, vor denen der Sohn sich zu offenbaren entschließt.“ (Lukas, 10, 22).

„Es ist für Dich notwendig zu wissen, dass du eins werden musst (oder in anderen Worten dich vollständig identifizieren musst) mit dem Sohn, damit du als der Sohn beten kannst und damit du mit dem Einen, den Er Seinen Vater und unseren Vater (Gott) nennt, die gleiche intime Beziehung haben kannst wie Er, und diese Erfüllung kann nicht eintreten außer durch die Gabe des Heiligen Geistes, der dir dann die Bedeutungen von allen Worten Jesus’ enthüllen wird. Das Evangelium wird dann beginnen, in dir vollständig lebendig zu sein und es wird dich lehren, so zu beten, wie man beten soll.“

Aber der junge Mann bestand darauf, mehr zu erfahren. Vater Seraphim lächelte: „In Ordnung, aber du musst wissen, dass Meditieren wie Jesus bedeutet, sehr gut alle Formen der zuvor gelernten Meditation zu überdenken. Du musst auch wissen, dass Jesus der kosmische Mensch war, ist und immer sein wird. Er wusste genau, wie man als Berg, als Mohnblume, als der Ozean und als Vogel meditiert. Er kannte auch die Meditation des Abraham. Sein Herz hatte keine Grenzen und aus diesem Grund liebte er auch seine Feinde.

Erinnere dich, dass Jesus auf dem Kreuz sagte: „Vergib ihnen, Vater, denn sie wissen nicht was sie tun.“ Seine Gastfreundschaft und sein Wohlwollen waren für jeden gleich. Er empfing mit Liebe und Mitgefühl auch die Kranken, die Sünder, die Gelähmten, die Prostituierten, diejenigen, die ihn verraten würden. Während der Nacht zog er sich in die Einsamkeit der Natur zurück um zu beten und er murmelte wie ein Kind: „Avva“, das bedeutet „Vater“… du magst es lächerlich finden, das Transzendente, das Unendliche, das Namenlose, das, was jenseits von allem ist, „Vater“ zu nennen.

Dennoch war dies das hauptsächliche Gebet von Jesus und er sagte alles durch dieses eine Wort. Die Erde und der Himmel verschmolzen vollständig in ihm aufgrund Seines gigantischen Glaubens. Gott und Mensch waren ein und dasselbe in diesen Momenten. Es gibt keinen Zweifel, dass du mit großer Hingabe und Streben das Wort „Vater“ in der Stille der Nacht aussprechen musst um zu verstehen, was es wirklich bedeutet…

Heutzutage, nachdem sich in dieser Welt die Beziehung zwischen Eltern und Kindern so sehr geändert hat, hat sie in vielen Fällen keine Bedeutung mehr, und nur wenige werden verstehen, was ich hier meine. Vielleicht stimmt dieses Bild jetzt überhaupt nicht mehr mit der Realität dieser Welt überein.

Das ist der Grund, warum ich es vorzog, dir gar nichts zu erzählen, um keine Bilder zu verwenden und um zu warten, dass der Heilige Geist dir das Gefühl und das geheime Wissen vermittelt, das Jesus Christus hatte; dann wird dieses einzigartige Wort „Avva“ nicht nur über deine Lippen kommen, sondern aus den Tiefen deines Herzens. Nur dann wirst du wahrhaftig verstehen, was das geheime Gebet und die hesychastische Meditation sind.“

Und nun geh nach Hause

Der junge Schüler von Vater Seraphim blieb noch einige Monate auf dem Berg Athos. Das einfache Gebet von Jesus trieb ihn oft in unendliche und bodenlose Abgründe und brachte ihn an den Rand eines wahrhaft ekstatischen Hochgefühls: „Ich bin nicht der, der jetzt lebt, sondern Jesus lebt auf ewig in mir“ konnte er wie der Heilige Paulus sagen. Wenn er von diesen Zuständen überwältigt wurde, empfand er einen kontinuierlichen Taumel der Demut in sich selbst und zur gleichen Zeit das Verlangen, sich für andere einzusetzen. Dies manifestierte sich als ein brennendes Verlangen, „dass alle Menschen von dem Zustand befreit werden, in dem sie sich befinden und dass sie fähig werden, die ekstatische Fülle der Kenntnis der Wahrheit zu erlangen“. Er wurde zu einer lebenden Flamme, im Feuer der Liebe brennend. „Er brannte die ganze Zeit ohne sich dabei aufzuzehren“. Er hatte oft erhabene, erleuchtete Visionen. Einige sagten, sie sahen ihn auf dem Wasser gehend oder in stiller Ekstase einige Meter über dem Boden schwebend…

Eines Tages kam Vater Seraphim wieder und begann zu schreien: „Genug! Nimm nun all deine Sachen und verlasse uns!“ Auf diese Weise bat Vater Seraphim seinen jungen Schüler, Athos zu verlassen und nach Hause zurückzukehren, um zu sehen, was von seinen wundervollen Gebeten und hesychastischen Meditationen übrig bleiben würde.

Der junge hesychastische Schüler ging sofort, ohne nach dem Grund zu fragen, warum er darum gebeten wurde. Zurück in seiner Heimat fanden ihn seine Bekannten dünner. Sie sahen nichts Spirituelles oder Göttliches an seinem fast schmutzigen Bart und in seinem gewöhnlichen Aussehen. Aber all dies störte ihn überhaupt nicht mehr, da er die Lehren von Vater Seraphim nicht vergessen konnte.

Manchmal, wenn er sich zu aufgewühlt fühlte, weil er keine Zeit für sich selbst fand, gab er für einige Momente alles auf und ging, um auf dem Balkon eines Cafés wie ein Berg zu meditieren. Wenn er sein Ego spürte, die Eitelkeit sich verstärkte, dann erinnerte er sich plötzlich an die Mohnblume. „Jede Blume vergeht“ sagte er dann zu sich selbst und sein Herz fokussierte sich wieder auf Gottes ewiges Licht. Wenn Trauer, Wut, Ekel seine Seele eroberten, zog er sich in Einsamkeit zurück und begann rhythmisch und tiefgründig zu atmen wie der Ozean; indem er dies tat, fühlte er kurz danach, wie er sich selbst in Einklang mit Gottes Seele brachte und voller Demut rief er murmelnd Seinen Namen an: Kyrie Eleison.

Wenn er oftmals über das Leiden, die Bosheit und die Hilflosigkeit seiner Mitmenschen nachdachte, erinnerte er sich sofort an die Meditation Abrahams. Wenn er verleumdet wurde oder wenn er sich verschiedene Unverschämtheiten über sich anhören musste, dann fand er wieder das Glück und die Unschuld eines Kind Gottes, indem er zusammen mit Jesus meditierte. Nach außen hin war er wie jeder andere. Er sah nicht wie ein Heiliger aus. Sieben Jahre nach seiner Rückkehr vom Berg Athos vergaß er mindestens einmal im Monat die Methode des hesychastischen inneren Hörens. Dennoch vergaß er niemals und wird niemals vergessen, Gott in jedem Augenblick zu lieben und immer in Seiner (Gottes) Anwesenheit zu schreiten.